Freundinnen

Ich frage mich manchmal, besonders unter Frauen, ob ich die einzige bin ohne Therapieerfahrung. Links und rechts, besonders in Südafrika aber auch in der Schweiz, buchen meine Freundinnen Termine für Marriage Counselling, Kunsttherapie, Life Coaching oder Ernährungsberatung (usw.). Jeder Lebensbereich, der nach eigenem Empfinden im Moment nur suboptimal funktioniert, wird genauestens untersucht und nach Möglichkeit therapiert. Ich staune, wie gut sich meine Freundinnen selbst zu kennen glauben – insbesondere die Kausalitäten sind immer bestens bekannt; weshalb man tut was man tut, ist wer man ist. Und wie perfekt sie den Therapiejargon beherrschen; im Gespräch wirkt alles sogleich abgeklärt und unter Kontrolle gehalten – als könnten professionell klingende Wörter und ein paar einfache Verhaltenstipps die inneren Furien bändigen. Mindestens eine Freundin überlegt sich gerade, Coaching anzubieten, da sie ja so viel Selbsterfahrung damit besitzt…

Ich glaube nicht, dass es meinen Freundinnen besser geht, wenn sie ihre „Problemzonen“ so exakt beobachten. Ich glaube auch, manchmal wäre es gesünder oder immerhin angenehmer für sie, sich nicht so sehr damit zu beschäftigen, weshalb oder wie sie etwas tun, sondern sich gegen aussen zu wenden und die Welt um sich herum, die Mitmenschen mehr zu erleben. Oder anders gesagt:

„If you ever start taking things too seriously, just remember that we are talking monkeys on an organic spaceship flying through the universe.“ danke Facebook/George Takei

So ähnlich könnte das ja auch für das eigene Leben gelten. Die Suche nach dem persönlichen Glück, der Balance und Ausgeglichenheit ist eine permanente – die meisten von uns haben dieses Optimum schon  erlebt, nach diesen Glücksmomenten streben wir wohl alle. Ich kenne keinen, der permanent glücklich ist; vielleicht glaube ich es einfach keinem.

Extrem reduziert gilt wohl die folgende Gleichung: je enger wir den optimalen persönlichen Zustand fassen (je anspruchsvoller wir sind),  umso seltener erleben wir ihn und um so unzufriedener sind wir. Unzufriedenheit ist aber normal. Traurigkeit ist normal. Leiden ist normal, ewiges Zahnpastalächeln nicht. Es kommt also nicht nur darauf an, wie gut wir die Ingredienzien unseres Glücks kennen und wie verfügbar sie sind, sondern auch, ob wir die Zeit zwischen den Optima annehmen als das, was es ist: unser Leben.

Und so wünschte ich mir manchmal für diese Freundinnen, dass sie mutiger wären. Dass sie das eigene Leben in die eigenen Hände nähmen, das Lösen von Problemen und das Tragen von Sorgen nicht delegierten an einen Coach oder eine Therapeutin – und damit auch, dass sie das Glück erführen, das Selbständigkeit bringt. Und ich wünschte mir, dass wir alle das Streben nach Glück nicht ganz so ernst nähmen – es gibt kein Recht darauf und auch keine Pflicht dazu.

Man könnte mir jetzt vorwerfen, ich sei ein naiver Simpel oder einfach arrogant in meinem Glück – meine Freundinnen tun das netterweise nicht, es sind halt eben Freundinnen…und das sind sie nicht zuletzt, weil sie eben leidensfähig sind  – ich mag euch, wie ihr seid!

Dieser Beitrag wurde unter Etudes abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Responses to Freundinnen

  1. Pen sagt:

    Google translate sucks! I might have to find a therapist to help me cope…

  2. Thomas Pl. sagt:

    schön gesagt, der ganze Beitrag!

Hinterlasse eine Antwort zu Pen Antwort abbrechen