Lost in Transition

Ich sehe die Frau auf dem Markt in Manzini. Sie sitzt hinter einem Haufen Tomaten, ein Tuch um Hüfte und Beine geschlungen, darunter Jeans und eine Bluse. Myxo Mdlulis Minibus rumpelt an ihr vorbei, ich fange ihren Blick durch die braunverdreckte Scheibe. Blitzende Brillengläser und leuchtende Zöpfchen fallen mir auf; und ihr Blick, direkt auf mich gerichtet; sie sieht mich auch.

Im staubigen Licht der Grashütte erzählt uns Myxo von gelebter Tradition in Swaziland. Nina, Moritz und Matti schaben getrocknete Maiskörner von den Kolben, wir hören ihre Stimmen durch die Strohwand, das ungewohnte Ämtli lässt sie in der Arbeit aufblühen, ihr Spiel ist ernsthaft und fokussiert. “Women sit on the left, the man and boys on the right side of the hut.”, erklärt uns Myxo als erstes. Er holt aus, erläutert den königlichen Hof, die Probleme der Aidsprävention, die Polygamie; mit leiser Stimme, auch er ernsthaft und fokussiert.  “A woman is paid for in cattle when she’s married, because her workforce goes to the husband’s family. If the husband’s family is rich, or if the wife does not work enough, or if she bears no child, he will marry again. The second wife will show the first one her place, as soon as she has born a child. Women are expected to work hard.” Myxo klingt müde, als sei er während Jahren des Erklärens fremd geworden in seinem Land.

Wieder sind wir im Minibus unterwegs, es ist Morgen, der Weg holprig und wir halten an jeder Kreuzung, um Menschen mitzunehmen. Auch Tomaten haben wir dabei, eine volle Gelte. Unerwartet steigt auch die Frau mit Brille ein, ihre violetten Zöpfchen  zu einer Haarzwiebel geschlungen, ihr Name ist Nolwazi. Die Kleider sind modisch, darüber das traditionelle Tuch, das ich heute auch trage. “You will fit in better that way”, macht Myxo deutlich, als er es mir reicht, und findet das nur halb so lustig wie ich.

Auf dem Bauernhof werden alle Stühle ins Freie getragen für uns – sie reichen nicht ganz. Die Kinder lassen sich Schweine, Ziegen und Hühner zeigen und spielen Fussball – fast wie zu Hause. Wären da nicht die Rundhütten mit offenem Feuer, das frisch geschlachtete Huhn, die stinkende Latrine, in der auch Spritzen entsorgt werden.

“I am studying civil engineering in South Africa”, beantwortet Nolwazi unsere Frage im Bus. Ob sie danach Arbeit fände, in Swaziland, will ich wissen, es gebe ja vieles, das gebaut werden müsse. “Here? Never. I will go to South Africa, there is more money there. Swaziland has no money.” Dafür einen König, der sich kürzlich einen neuen Privatjet bestellt hat, denke ich schweigend. “But you must come back, Swaziland needs you, and you owe everything to your family and country!”, entgegnet  Myxo, die Zustimmungim Bus ist spürbar; logisch angesichts unzähliger Schlaglöcher.

Die Granny-Hut ist das erste Gebäude, das von einem jungen Paar gebaut wird. Es ist das Lebenszentrum der homestead, danach wird eine Küchenhütte, eine Schlafhütte, ein Kraal gebaut. In der Granny-Hut wird später Besuch untergebracht, es wird darin beratschlagt, gebetet und gefeiert. “Kids can run into the granny hut, if their parents want to beat them, and even the wife can hide there when she is in a fight with her husband. He will not touch her there, for fear of the ancestors.”, erklärt uns Myxo.

Nolwazi sitzt hinter der Tomatengelte, diesmal vor der Schule in Kaphunga. Bald beginnt das nächste Semester, und sie fährt wieder nach Johannesburg. “I’ll never live here.”, sagte sie im Minibus, und schwieg danach.

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